IRONMAN Zürich 2019

 
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Morgens (nachts) um 03:00 am 21.07.2019 klingelte mein Wecker. Aufstehen, Frühstücken, die letzten Sachen packen, Sonnenschutz auftragen und um 04:30 ging es auch schon los. Auf zur Wechselzone. Wo dann auch das schönste Wetter auf uns wartete. Schön wär’s, es hat natürlich geregnet. Hilft nicht wirklich, wenn man ohnehin schon nervös ist und nicht weiss, wo man anfangen soll. Obwohl ich mittlerweile sehr viel Routine habe, immerhin war das Rennen Nr. 33. Es passieren aber auch dann noch die dümmsten Dinger. Gel gegen Scheuern vergessen ist nur ein Beispiel.

Schwimmen:

Ich sortierte mich mit einer geschätzten Zielzeit von „<60 min“ ein, an vorderster Front. Wir waren aber so spät dran, dass es schon unglaublich voll war und ich dort relativ weit hinten startete. Es haben sich wohl noch einige Starter dort eingefunden, die nicht wirklich in dieser Zeit aus dem Wasser kommen können. Dementsprechend hatte ich auch zu tun. Überholen, überholen, überholen. Mein Ziel war es, eine Gruppe oder einen Schwimmer mit meinem Tempo zu finden. Ich würde mich dann in dessen Wasserschatten begeben und mich kraftschonend ziehen lassen. Leider konnte ich niemanden finden, also schwamm ich grösstenteils nebenher und zog so langsam aber andauernd an der Herde vorbei. Kraftschonend geht anders, aber die alternative hätte länger gedauert. Ich habe mir trotzdem eine kleine Reserve gelassen, damit ich nicht schon zu Beginn des Zeitfahrens völlig demoliert bin. Im linken Oberschenkel gab es leichte Anzeichen für einen Krampf, denen ich aber wenig Beachtung schenkte.

3.8 km in 61 Minuten. Nicht ganz mein Ziel, aber immerhin nur etwa eine Minute daneben, ich war zufrieden.

Wechsel 1 & Fahrradfahren (Zeitfahren):

Die ersten Schritte nach so einer Strecke im Wasser sind oft etwas schwerfällig, man gewöhnt sich aber daran. Es sind ein paar Meter bis zur Wechselzone, wo ich zunächst Probleme hatte den Helm aus dem Sack zu bekommen, dessen Schnur sich verknotet hatte. Und dann musste auch der Neo noch versorgt werden. Da gehen schnell mal vier Minuten (oder mehr) ins Land.

Die offizielle Strecke war 175 km lang. Mein Garmin zeigte mir etwas weniger an, aber nicht der Rede wert.

Es fing an zu regnen und wurde plötzlich stärker. Trotzdem konnte ich in gutem Tempo bis zum ersten kurzen aber intensiven Anstieg in Stäfa durchrollen. Dieser Anstieg musste aufgrund einer Baustelle gefahren werden und war weniger als 300m lang und hatte ca. 30 hm. Die eigentliche Strecke führte weitere knappe 8 km auf der Seestrasse entlang bis zum nächsten eher moderaten Anstieg in Feldbach.

Kurz darauf hörte der Regen auf. Es lief gut. In Männedorf wartete noch eine Extraportion Berg auf uns, auch sehr kraftraubend.

Bis ca. km 110 (Runde 2, Anstieg in Stäfa) lief es problemlos weiter, inkl. einer kurzen Pinkelpause in Forch. Die Sonne hat mittlerweile für trockene Strassen gesorgt, wir konnten etwas Schwung mit auf den Hügel nehmen. Plötzlich verhärteten sich beide Oberschenkel und ich konnte gerade noch diesen kleinen aber harten Anstieg überwinden. Was war das? Genau diese Stelle machte sich beim Schwimmen bemerkbar, aber jetzt kam auch der rechte Oberschenkel noch dazu. Solche Schmerzen hatte ich noch nie. Oben angekommen ließ ich den kleinen Gang drin und tritt weiter ganz locker in die Pedale und rollte durch Stäfa bis wir wieder auf die Seestrasse kamen. Die Krämpfe lösten sich und ich konnte mit etwas Reserve weiterfahren. Ein paar weitere Male durfte ich diese Krämpfe noch bekämpfen, und in mir wuchs die Angst vor dem Marathon.

175 km in 05:27 Stunden. Nicht, was ich wollte, jedoch das Beste was ich aus der Strecke und den Schmerzen machen konnte.

Wechsel 2 & Laufen (Marathon):

Der schmerzvollste und zugleich schönste Teil des Rennens. Bisher verging die Zeit sehr gut, das sollte sich vorübergehend ändern. Nachdem ich vom Rad stieg, habe ich etwas mehr als vier Minuten für den Wechsel in die Laufschuhe benötigt. Man fragt sich vielleicht, was ich solange gemacht habe, aber die Zeit verging unglaublich schnell.

Auf den ersten beiden Kilometern ereilte mich ein fieser Krampf im rechten inneren Oberschenkelmuskel, der sich anfühlte wie Beton. Mit wiederholtem Anfersen konnte ich diesen Krampf „rauslaufen“ und endlich auf die Suche nach meinem Tempo gehen. Da kam auch schon die erste Toilettenpause für den Lauf. Ich lief gut an, zu gut. Der Schnitt lag unter fünf Minuten pro km, viel zu schnell. Dafür würde ich noch zahlen, das war mir klar. Ich ließ zwei oder drei Verpflegungsstationen aus resp. lief durch sie durch mit Aufnahme von Wasser und ein paar Schwämmen, die ich in meinem Rennanzug versorgte. In Runde zwei ereilte mich ein leichtes Tief, das in Runde drei noch etwas verstärkt wurde. Ich entwickelte eine Notfallstrategie: Laufen mit etwas höherer Pace von Verpflegung zu Verpflegung, wo ich dann auf Schritttempo reduzierte um Energie aufzunehmen, meine Schwämme wieder mit Wasser auffüllte, Eiswürfel und Wasser schnappte und schließlich wieder anlief. So kam ich gut voran. Ab bzw. um km 30 überkam mich plötzlich wieder mehr Energie und Motivation, ich konnte das Tempo schrittweise erhöhen und bin sogar an Stellen mit mehr Elan gelaufen, an denen ich in den vorherigen Runden ein Tief hatte. So konnte ich den Marathon immerhin noch in 04:01 Stunden beenden. Isoliert betrachtet finde ich diese Leistung nicht besonders gut. Ich weiß, dass ich schneller sein kann. Im Kontext des IRONMAN und der bis dahin gemachten Erfahrungen im Rennen (Krämpfe und Schmerzen) bin ich jedoch sehr zufrieden. Es ist einfach ein unbeschreiblich gutes Gefühl, wenn man am Ende ins Ziel laufen kann und ich hatte auch noch das Glück, die Ziellinie für mich ganz alleine zu haben. Entsprechend habe ich mir für die letzten Meter auch etwas Zeit gelassen, meinen Anzug vernünftig geschlossen und einen Freudenschrei losgelassen, als ich unter der Zeittafel stand.

Wie ist sowas überhaupt machbar?

Ein ganz wichtiger Teil waren die vielen Aufmunterungen von Freunden und Bekannten, die überall auf der Strecke verteilt waren. Immer wieder wurde ich von außen motiviert, daran erinnert, dass es nicht nur für mich hart war und dass das Ziel nicht mehr fern ist. Irgendwann dachte ich nur noch von Verpflegung zu Verpflegung und schließlich (in Runde 4) nur noch an das Ziel und dass jeder Meter, jede Verpflegung, kein weiteres Mal gelaufen werden musste, denn Runde 4 endete im Ziel. Dort warteten auch meine Eltern, Brüder und meine Frau mit meinem Sohn Liam. Ich lief immer schneller und war plötzlich so energiegeladen, wie in keiner anderen Runde. Ohne Fans ein Ding der Unmöglichkeit.

Einen ganz besonderen Gedanken möchte ich aber noch hervorheben:

Auf meinem Triathlon Anzug stand„Greenhope Sports against cancer“. Sehr viele Menschen sind so schlimm krank, dass sie täglich kämpfen müssen, um noch einen weiteren Tag leben zu dürfen. Deshalb konnte ich mich dazu überwinden die letzten Stunden auch unter Schmerzen noch etwas Tempo zu machen. Und so wird es auch beim nächsten und wiederum nächsten Wettkampf sein. Es sind vorübergehende Schmerzen, die es sich zu überstehen lohnt, wenn dadurch die Motivation anderer Menschen wächst, selbst vielleicht mehr Sport zu machen, gesünder zu leben und natürlich etwas für einen guten Zweck zu tun.

 
Damian Strzalkowski